Picasso und El Greco im Kunstmuseum Basel

El Greco-Picasso
Vom 11. Juni bis 25. September 2022 widmet sich das Kunstmuseum Basel dem merkwürdigen künstlerischen Dialog Pablo Picassos (1881-1973) mit dem aus Kreta stammenden Maler, Bildhauer und Architekten Domínikos Theotokópoulos (1541-1614), der unter dem Künstlernamen El Greco als Meister des spanischen Manierismus berühmt wurde. Die Kuratorin Carmen Giménez und ihre Co-Kuratoren Gabriel Dette und Josef Helfenstein und die Co-Kuratorin Ana Mingot zeichnen Picassos langjährige Auseinandersetzung mit dem Meister der Spätrenaissance mit rund 30 Werkpaaren nach. Die Ausstellung belegt, dass sich Picassos Interesse für den Altmeister schon in sehr jungen Jahren etablierte. 1898, nach der Niederlage im Spanisch-Amerikanischen Krieg, welche das Ende der Kolonialmacht Spanien besiegelte, suchte das Land nach einer neuen Identität. Nationalistische und nostalgische Reflexe dominierten in dieser Zeit auch das Kunstschaffen. Der 15-jährige Maler-Eleve Picasso bewegte sich ab 1895 in Barcelona unter Künstlern, die sich an den Meisterwerken der «Spanischen Schule» orientierten. Ihre Vorbilder waren neben El Greco, Diego Velázquez (1599-1660) und Francisco de Goya (1746-1828). Vor allem El Greco, der in seiner eigenen Bildsprache die Traditionen der griechisch-byzantinischen, der venezianischen und der spanischen Malerei vereinigte und durch sein von Geheimnissen umwehtes, bloss spärlich dokumentiertes Leben faszinierte, war für junge, rebellische Künstler ein ideales Vorbild. Die ersten Beispiele von Picassos Faszination für den Griechen stammen aus den Jahren 1898 und 1899. Herausragend: Sein «Bildnis eines Fremden im Stil El Grecos» (1899), das die für El Greco typische lange Schädelform nachahmte. Auch das «Begräbnis des Casagemas (Evokation)», zwei Jahre später als gemalter Nachruf auf den Freund entstanden, nimmt Bezug auf den Meister – und markiert den Beginn seiner von Melancholie geprägten «blauen Periode». War die Auseinandersetzung mit dem Altmeister am Anfang seiner Malerlaufbahn bisher schon fester Bestandteil der Picasso-Exegese, so schlägt die Kuratorin den Bogen viel weiter: Ihrer Ansicht nach war sie intensiver, als bisher angenommen, und hielt sehr lange an. Rückgriffe auf El Greco prägten nicht bloss die kubistische Periode, die einen Schwerpunkt der Ausstellung bildet, kamen bis in die späten Jahre immer wieder vor. Die Reihe reicht bis zum «Musketier» von 1967, einem Strongman in spanischer Tracht, auf dessen Rückseite Picasso seine Bewunderung für die Altmeister El Greco, Rembrandt van Rijn und Velázquez in witziger Weise mit der Inschrift «Domenico Theotocopulos van Rijn da Silva» verewigte.

Beim Rundgang durch die neun Räume der Ausstellung, möchten wir wissen, ob die These stimmt, dass Picasso sich praktisch während seiner ganzen Schaffenszeit immer wieder von Bildern El Grecos hat inspirieren lassen. Das Resultat ist wenig überraschend: Es gibt überzeugende Beispiele, wo die Wahlverwandtschaft frappant ins Auge sticht. Aber es gibt auch zahlreiche Momente, wo der Nachweis scheitert. Dies gilt insbesondere für viele der religiösen Motive El Grecos, die bei Picasso keine Resonanz erzeugen. So zum Beispiel, wenn Picassos Kreuzigungsbild («Die Kreuzigung Christi», 1930) El Grecos «Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel» (um 1610/14) zur Seite gestellt wird. Aber die kunsthistorischen Übertreibungen tun der hohen Qualität der Ausstellung keinen Abbruch. Es ist schön, die ausgeliehenen Bilder, sowohl die von Picasso als auch jene El Grecos, in Basel vor unserer Haustür sehen zu können. Und es ist wunderbar, Picassos Werke aus der Sammlung des Museums in diesem Kontext neu zu entdecken. Und besonders gelungen und hilfreich fanden wir die beiden wandfüllenden Zeittafeln, die das Wirken der beiden Künstler in den historischen Kontext stellen. Die ausführliche Chronologie ist auch im Katalog enthalten.

Nachtrag September 2022: Nach sorgfältiger Lektüre der kenntnisreichen Katalog-Aufsätze finden wir keine Anhaltspunkte, die uns unser skeptisches Urteil über die kuratorische These mit Überzeugung korrigieren liesse. Wir verzichten deshalb auf eine ausführliche Besprechung.

Den Katalog zur Ausstellung gibt es in einer deutschen und einer englischen Version. Er enthält Beiträge von Gabriel Dette, Carmen Giménez, Josef Helfenstein, Javier Portús und Richard Shiff: Giménez, C., Helfenstein, J. (Hrsg.): Picasso – El Greco. Berlin 2022 (Hatje Cantz Verlag), 192 Seiten, € 44.00/CHF 50.50

Illustrationen: «Bildnis eines älteren Edelmannes» (El Greco, um 1587/1600), «Jaume Sabartés mit Halskrause und Haube» (Pablo Picasso, 1939)