Peter Ochs im Historischen Museum Basel

Unter dem Titel «Menschenrechte und Revolution» gedenkt das Historische Museum Basel vom 18. Juni bis 14. November 2021 mit einer kleinen Ausstellung des 200. Todestages von Peter Ochs, Basler Revolutionär und Gründer der Helvetischen Republik. In zwei Vitrinen sind 26 Exponate zu sehen, die meisten aus dem Fundus des Museums.

Peter Ochs
Ergänzend zur Ausstellung erschien im Christoph Merian Verlag eine Publikation, die einen kenntnisreichen und kompakten Einblick in die wechselvolle Biographie und das Nachleben von Peter Ochs ermöglichen. Während die Präsentation in den beiden Vitrinen wesentliche Stationen im Privatleben und in der Karriere des umtriebigen und hoch umstrittenen Politikers illustriert, vertieft das Katalogbuch das Wissen um eine der turbulentesten Epochen der Basler und der Schweizer Geschichte. Die kurzlebige, unter dem Einfluss Frankreichs entstandene Helvetische Republik signalisierte den Aufbruch in eine neue Epoche, die den Untertanengebieten der Eidgenossenschaft die Freiheit brachte und die Leibeigenschaft abschaffte. Gleichzeitig wurde sie den Makel der Fremdbestimmung nie los. Das ruinierte auch den Ruf der Politiker, die sich für sie engagierten. Peter Ochs hing nicht nur seine revolutionäre Gesinnung an, sondern auch der Makel des Zuwanderers, weil er in Frankreich geboren und in Hamburg aufgewachsen war und nicht Baseldeutsch sprach. Seine Beharrlichkeit, seine hohe Intelligenz und sicher auch sein Ehrgeiz machten ihn gleichwohl über Jahrzehnte in vielen Rollen zu einem der einflussreichsten Politiker der Eidgenossenschaft, wie die überaus kenntnisreiche biografische Studie von Sara Janner in der Begleitpublikation zur Ausstellung belegt.

Stefan Hess widmet sich in seinem Beitrag mit der «Damnatio memoriae», mit der Peter Ochs zur landesverräterischen Unperson erklärt und später aus dem Gedächtnis der Nachwelt getilgt werden sollte. Sein Ruf war schon zu Lebzeiten so stark ruiniert, dass seine beiden Söhne vor ihrer Hochzeit mit dem Einverständnis des Vaters den Familiennamen ihres Urgrossvaters mütterlicherseits annahmen und sich fortan His nannten. (Allerdings soll, so die Familien-Überlieferung, nicht der schlechte Ruf des Vaters, sondern generell das Spott-Potenzial des Namens Ochs der Grund für die Namensänderung gewesen sein.) Peter Ochs’ Rolle als umstrittener Politiker bestimmt wurde allerdings durch seine Verdienste als Autor der acht Bände umfassenden Darstellung der «Geschichte der Stadt und der Landschaft Basel» konterkariert, die lange als Standardwerk galt. Erst nach der Gründung des Bundesstaates 1848, als führenden Freisinnigen klar wurde, wie wichtig die Helvetik und die während der Revolutionsjahre geführten Grundsatzdebatten über die Architektur eines modernen Staatswesens für die neue Eidgenossenschaft waren, kam Peter Ochs zu einem gewissen Nachruhm: Aus Ächtung wurde Achtung. In der breiten Öffentlichkeit blieben die Vorurteile allerdings lebendig. Einige Historiker versuchten zwar, das Bild zu korrigieren, doch die Besetzung des Landes durch französische Truppen, die Plünderungen und die Verheerungen durch die kriegerischen Auseinandersetzungen auf ihrem Territorium waren für das kollektive Gedächtnis in weiten Teilen der Schweiz stärker als die historische Erkenntnis, dass die Geschichte möglicherweise einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn die führenden Familien in den Städten ihre Privilegien früher und freiwillig preisgegeben hätten, wie es Ochs vorgeschlagen hatte. Es ist dem Historiker und Werbemann Markus Kutter (1925-2005) zu verdanken, dass sich Peter Ochs’ Andenken wenigstens in seiner Vaterstadt in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat: Zur Erinnerung an 200 Jahre Helvetik gab die von Kutter gegründete «Peter Ochs Gesellschaft» den Anstoss für Ausstellungen im Museum der Kulturen, im Karikatur & Cartoon Museum sowie in der Basler Papiermühle, die sich den zahlreichen Aspekten jener turbulenten Epoche widmeten. Die Publikation «Basel 1798 – Vive la République Helvétique» bot eine eindrückliche Auslegeordnung über die Kontroversen und Errungenschaften jener Umbruchzeit. Zwei Jahre später unternahm es Beat von Wartburg, heute Direktor der Christoph Merian Stiftung, in seiner Dissertation «Musen und Menschenrechte»das Bild von der Peter Ochs nachhaltig zu korrigieren. Seither, schreibt Stefan Hess, habe sich in der Basler Historiografie in der Darstellung von Peter Ochs eine auffallende Versachlichung durchgesetzt. An
Umschlag Ochs
der Wand der Predigerkirche, auf deren Friedhof er seinerzeit beerdigt wurde, erhielt Peter Ochs 2002, zur Erinnerung an seinen 250. Geburtstag ein von Bettina Eichin gestaltete, zweiteilige Bronze-Plastik. Anderswo regieren allerdings nach wie vor die Vorurteile. So war sich SVP-Bundesrat Ueli Maurer am 4. Mai 2014 als Verteidigungsminister – anlässlich des 60. General-Weber-Erinnerungsschiessens – nicht zu schade, Peter Ochs als «historisch wohl berühmteste(n) Vertreter der Friedenspartei» zu dämonisieren, «der später als Landesverräter in die Geschichte» eingegangen sei.

Es ist das Verdienst des Historischen Museums und des Christoph Merian-Verlags, das sie aus Anlass des 200. Todestages den Faden der 1999 aufgelösten «Peter Ochs Gesellschaft» wieder aufnehmen und mit der Ausstellung sowie vor allem mit der informativen Publikation die Erinnerung an die Helvetik und eine der eindrücklichsten Persönlichkeiten der Basler Geschichte wach halten.

Publikation zur Ausstellung Benjamin Mortzfeld (Hrsg. für das Historische Museum Basel): «Menschenrechte und Revolution – Peter Ochs (1752 1821). Basel 2021 (Christoph Merian Verlag), 152 Seiten, CHF 26.00/EUR 24.00

Weiterhin beim Verlag erhältlich ist Beat von Wartburg: «Musen und Menschenrechte. Peter Ochs und seine literarischen Werke», Basel 1997 (Christoph Merian Verlag), 655 Seiten, CHF 49.00

Nur noch antquarisch verfügbar ist das erwähnte Begleitbuch zu den Helvetik-Ausstellungen im Jubiläumsjahr 1998 «Basel 1798 – Vive la République Helvétique».

Dasselbe gilt für Markus Kutter: «Der Anfang der modernen Schweiz – Übergang von der alten Eidgenossenschaft zur Helvetischen Republik (1748-1803)», Basel1996 (Christoph Merian Verlag), 184 Seiten.

Illustration: Peter Ochs als helvetischer Direktor. Kunststoff-Figur der Ausstellung «Vive la République Helvétique» 1998 (Scan aus der Publikation zur aktuellen Ausstellung).