Piet Mondrian in der Fondation Beyeler

Mondrian Porträt
Wie sich der niederländische Künstler Piet Mondrian (1872-1944) vom traditionellen Landschaftsmaler zum Avantgardisten entwickelte, ist vom 5. Juni bis zum 9. Oktober 2022 in der Fondation Beyeler in Riehen zu sehen. Unter dem Titel «Mondrian Evolution» demonstriert Kurator Ulf Küster anhand von 85 Werken sehr anschaulich den Weg von der Figuration zur Abstraktion. In neun Räumen sind die Werke in zumeist chronologischer Abfolge so gehängt, dass der Wandel nachvollzogen werden kann. Zwei Dinge sind bei einem ersten Rundgang durch die sehr grosszügig gestaltete Schau auffällig: Zu Beginn seiner Malerkarriere bevorzugte Mondrian ausgesprochen kleine Formate. Die grossen Bilder entstanden erst in der Phase, als sich der Maler auf der Suche nach seinem eigenen Stil zunächst Inspiration bei Van Gogh, dann bei Picasso suchte. Und: Erst um 1910 begann Mondrian seine Naturansichten radikal zu reduzieren. Besonders schön zeigt das ein Ensemble, das mit dem im Abendlicht rot leuchtenden, noch expressionistisch empfundenen Baum beginnt. Kurz darauf malte Mondrian denselben Baum erneut, diesmal seitenverkehrt und mit stark vereinfachtem Astwerk. Das «Rot, heisst es dazu im Saaltext-Heft, könne in der zweiten Version als Signal für die Rückkehr des Wachstums im Frühling verstanden werden. Der Hintergrund, im ersten Bild noch dunkelblau, wechselt zu einem helleren, spätwinterlichen Farbton. 1912, schliesslich, ist ein «Blühender Apfelbaum» mit ausladender Krone auf der grau-braun grundierten Leinwand nur noch zu erahnen. Die Äste haben die Verbindungen unter einander
Mondrian Bäume
weitgehend verloren. Aber das Leitmotiv bleibt, wie auch bei anderen Gemälden dieses Zyklus, die künstlerische Darstellung organischen Wachstums. Von dieser Bindung der Malerei an die Natur ist bei der Hinwendung zur radikalen Abstraktion in der zweiten Hälfte von Mondrians Künstlerkarriere nichts mehr zu erkennen. Immerhin blieb er auch beim Malen und Zeichnen dieser für ihn bis heute charakteristischen Werke der Handarbeit treu. Die konservatorischen Untersuchungen an seinen Werken in der Sammlung der Fondation Beyeler ergab, dass sich Mondrian beim Malen keiner technischen Hilfen bediente: Die Bilder wurden nicht mit dem Lineal konstruiert, sondern frei komponiert. Und nur selten gab es Kohle-Vorzeichnungen. Sie entstanden freihändig und sehr langsam in mehreren Etappen. Der Künstler korrigierte und übermalte seine Werke bis er überzeugt war, die ideale Balance zwischen Linien und Farben gefunden zu haben.«Mondrian Evolution» ist eine jener Ausstellungen, die man gern ein zweites Mal besucht.

Nach der Fondation Beyeler in Riehen zeigt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen die gemeinsam und in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Den Haag entstandene Mondrian-Schau vom 29. Oktober 2022 bis 10. Februar 2023 in Düsseldorf

Zur Ausstellung erschien (in einer deutschen und einer englischen Ausgabe) ein sehr schön von der holländischen Grafikerin Irma Boom gestalteter Katalog mit kenntnisreichen Essays und einem ausführlichen illustrierten biografischen Kapitel. Ulf Küster (Hrsg): Mondrian Evolution. Berlin 2022 (Hatje Cantz Verlag), 264 Seiten, CHF 58.00/€ 54.00.

Illustrationen: Porträt (Ausschnitt) von Arnold Newman: Piet Mondrian, 1942 in seinem Atelier in New York (Scan aus dem Katalog). Avond (Abend), Der rote Baum, 1908-1910 Kunstmuseum Den Haag, NL; Baum (1912?) Munson Williams Proctor Arts Institute, Museum of Art, Utica, NY; Bloeiende appelboom (Blühender Apfelbaum) 1912), Kunstmuseum Den Haag, NL.

Eine ausführliche Besprechung der Ausstellung unter Berücksichtigung der Katalogbeiträge ist
hier zu finden.