Ólafur Elíasson in der Fondation Beyeler

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Vier Monate lang, vom April bis Juli 2021, erhält aus Island stammende Konzeptkünstler Ólafur Elíasson (geb. 1967) Gelegenheit, in der Fondation Beyeler in Riehen unter dem Titel «Life» seine Vision eines kunstwerklosen Museums zu verwirklichen. Dafür liess er die ganze Glasfassade der Gartenfront neben dem Eingang entfernen und den Seerosenteich davor in die leergeräumten Ausstellungsräume ins Innere des Museums eindringen. Das ungiftig grün gefärbte Wasser, die force tranquille, ist kaum sichtbar in Bewegung; die lückenhaften Blätterteppiche, die sich darauf ausbreiten, deuten aber Lebendigkeit an. Da die Wasserlandschaft täglich 24 Stunden auf Holzstegen begehbar ist, vermittelt sie zahlreiche ebenso faszinierende wie unspektakuläre Sinneseindrücke. Die Farbe des Wassers verändert sich je nach Wetter, Tageszeit und Lichteinfall ständig. In der Nacht, von oben blau beleuchtet, erscheint das Wasser gelb.
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Auffallend ist die Ruhe, die von der Installation ausgeht. Die zahlreichen Besucherinnen und Besucher bewegen sich schweigend und ohne Hast auf den Stegen. Und auch das Publikum, das sich auf dem Vorgelände zum Teich niedergelassen hat, verharrt zumeist in kontemplativer Stille.

Das ist ganz im Sinne des Künstlers. «Das Leben auf der Erde», gibt er in einem Statement zu Bedenken, «hatte schon mindestens drei Milliarden Jahre überstanden, bevor [es Menschen gab] ... Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass wir ‹auserwählte› Spezies sind, für die alle anderen gemacht wurden. Und wir sind auch nicht die wichtigste Spezies, nur weil wir so zahlreich, mächtig und gefährlich sind.» Und Sam Keller, Direktor des Museums, bezieht das Publikum mit ein, wenn er von einem «kollektiven Experiment» spricht, das Elíassons Installation darstellt. «Es stellt Konventionen von Kunst, Natur, Institution und Leben in Frage und versucht ihre Grenzen zerfliessen zu lassen.» Sein Werk, erklärt Elíasson, sei nicht nur für menschliche, sondern ebenso für nichtmenschliche Besuchende gemacht, für Pflanzen und Mikroorganismen.
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Zudem sei es dem Wetter und dem Klima ausgesetzt – Elemente, die ein Museum gewöhnlich fernzuhalten versucht.

In der Tat wirkt wohl Elíassons Werk am nachhaltigsten durch seine dystopische Perspektive nach: Da ist nicht nur ein Kunstmuseum ohne Kunst zu besichtigen, sondern auch die Aussicht darauf, dass menschliche Kreativität, ja die ganze Spezies, eines Tages ohne weiteres verschwinden und ihre Kultstätten von der Natur zurückgeholt werden. Das Memento Mori, hatte als Grundthema der bildenden Kunst während Jahrhunderten das Individuum im Fokus. Elíassons eindrückliche Installation weitet die Mahnung nun auf die ganze Menschheit aus.

Illustrationen © Jürg Bürgi 2021

Jonas Fränkels Nachlass im Schweizerischen Literatur-Archiv

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Ende April 2021 berichteten Schweizer Zeitungen begeistert, dass der Nachlass des Berner Germanistik-Professors Jonas Fränkel (1879-1965) und mehrere Koffer mit Briefen und Manuskripten seines Freundes, des Schweizer Literatur-Nobelpreisträger Carl Spitteler (1845-1924), dem Schweizerische Literaturarchiv übergeben worden seien. Aus diesem Anlass lohnt es sich, nicht nur an die Person des umstrittenen Berner Gelehrten Fränkel zu erinnern, sondern das Umfeld des Schweizer Germanisten- und Literatenmilieus der 1920er- bis 1950er-Jahre in den Blick zu nehmen. Die Dissertation von Julian Schütt war 1996 die erste Arbeit, welche aufgrund von Dokumenten, Pressetexten und Gesprächen mit Zeitzeugen die peinlichen Intrigen und Machtkämpfe in der allzuoft offen nazifreundlichen Schweizer Germanisten-Zunft offenlegte. Im Mai 1997 berichtete das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL über Schütts Recherchen.

Julian Schütt: Germanistik und Politik. Schweizer Literaturwissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Zürich 1996 (Chronos-Verlag).

Hier geht es zum vollständigen, als PDF neu formatierten und illustrierten Text der Story im Archiv unserer Website.

Illustration: Jonas Fränkel (Schweiz. Literaturarchiv)